Die ganze Computertechnik kommt aus dem Silicon Valley? Mitnichten! Was hierzulande kaum jemand weiß – wichtige Grundlagen und Erfindungen von heute noch weltweiter Bedeutung wurden lange vor Intel und Co. in der Nachkriegszeit in einem alten Schloss in dem idyllischen kleinen Dorf Pretzfeld in der Fränkischen Schweiz gemacht. Hier wurde mit Pionierleistungen in der Halbleiterforschung Technikgeschichte geschrieben.

Nach dem zweiten Weltkrieg war die Firma Siemens war auf der Suche nach neuen Standorten statt des zerstörten Berlin. Bereits 1944 war der bekannte Physiker Walter Schottky mit seiner Familie von Berlin nach Pretzfeld umgezogen. Dies war mit einer der Gründe für die Gründung des Siemens-Labors im Schloss Pretzfeld 1946 unter der Leitung von Eberhard Spenke. Es war ein Glücksfall, dass mit Schottky und Spenke – ergänzt durch Heinrich Welker in Erlangen – gleich mehrere Physiker von Weltrang in der Region zusammen kamen. Dank ihnen erlangte die deutsche Halbleiterforschung in den 1950er Jahren Weltgeltung. Die Zeit 1946-56 war hier ein Jahrzehnt stürmischer Entwicklung.

Zentrale Entwicklungen aus Pretzfeld aus dieser Zeit umfassen das heute weltweit verwendete und als Siemens-Prozess bekannte Verfahren zur Gewinnung von Reinstsilizium oder die Präsentation des ersten Silizium-Leistungsgleichrichters. Anfang der 1950er Jahre wurden verschiedene Materialien bezüglich ihrer Eignung für Halbleiterbauelemente untersucht, darunter auch Germanium. Allerdings war Germanium nicht für höhere Temperaturen geeignet. Siemens-Pretzfeld setzte – goldrichtig – auf Silizium, das dann seinen Siegeszug antrat.

Bis in die 1980er Jahre wurde in Pretzfeld Forschung und Entwicklung für die Leistungselektronik betrieben. 1990 wurde das Siemens-Labor mit den Halbleiteraktivitäten der Firma AEG unter dem Namen eupec zusammengelegt. Erst 2002 wurde der Standort aufgegeben. Heute erinnert nur noch die Walter-Schottky-Straße in Pretzfeld an die High-Tech-Vergangenheit des im Jahr 1145 erstmals urkundlich erwähnten Schlosses. Die in Pretzfeld begründeten Technologien stecken heute in jedem Smartphone, Laptop oder Fernseher, ebenso in jeder Solaranlage und in modernen Stromnetzen. Eine Energiewende wäre ohne diese Grundlagen nicht möglich.

Dieses fast vergessene Kapitel der Technikgeschichte wurde am 29. April 2019 im Rahmen des öffentlichen Leistungselektronik-Kolloquiums von Fraunhofer IISB, Cluster Leistungselektronik und Leistungszentrum Elektroniksysteme (LZE) präsentiert. Der frühere FAU-Professor Georg Müller und der ehemalige Pretzfeld-Mitarbeiter Alfred Porst informierten in ihren Vorträgen anschaulich über die Geschichte des Pretzfelder Halbleiterlabors, die technologischen Entwicklungen zu Halbleitermaterialien und Leistungselektronik und die besondere, von Kollegialität und Aufbruchsstimmung geprägte Arbeitsatmosphäre im Schloss in dieser Zeit. Zahlreiche Zeitzeugen und ehemalige Mitarbeiter und Kooperationspartner des Pretzfelder Labors ließen es sich trotz teilweise weiter Anreise nicht nehmen, zu der Veranstaltung zu kommen und beim anschließenden Zusammensein in Erinnerungen zu schwelgen.